Taylor Swift: "Thank you, Swiftienna!" (2024)

Nach der Konzertabsage sind Tausende Swifties in Wien gestrandet. Wie ist das, wenn plötzlich das Event des Jahres abgesagt wird? Unsere Reporterin war dabei.

Eine Reportage von Nele Sophie Karsten, Wien

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"Wiiiiiiiildest dreams, ah-ah-haaaa", singt die Menge. Man kann sie hören, lange bevor man sie sieht. Unter dem dunkelblauen Straßenschild mit der weißen Aufschrift "Corneliusgasse" tauchen sie dann auf: pastellfarbene Rüschenkleider, Blumenprints, Tüllröcke, Schleifchen und Glitzer auf der Haut, Glitzer in den Haaren, Glitzer überall! Die Swifties haben die rund hundert Meter kurze Straße in Wiens sechstem Bezirk eingenommen und in einen Trost-Tempel verwandelt. Es ist Freitag, der 9. August, 18.53 Uhr. Oben leuchtet der Himmel in spätsommerlich zartem Blau, das perfekt in die Swiftie-Farbpalette passt. Unten, umrahmt von typisch hellen Wiener Altbaufassaden, wiegen fremde Menschen sich Arm in Arm zum Takt von Love Story, Shake It Off und Cornelia Street – dem Song, der die Fans zu Hunderten in die kleine Gasse mit dem ähnlichen Namen pilgern lässt.

Die Lieder hätte Taylor Swift eigentlich an diesem Wochenende im Wiener Ernst-Happel-Stadion performt. Drei Abende hintereinander sollte sie vor je 65.000 Fans ihre Eras-Tour spielen, eine Reise durch sämtliche Alben ihrer achtzehnjährigen Karriere. Doch die Konzerte wurden spontan vom Veranstalter abgesagt, Grund dafür war ein akuter Terrorverdacht.

"Ich habe stundenlang geweint", sagt Dee Wilbur auf Englisch. Die 33-jährige US-Amerikanerin ist extra für das Konzert aus Maine nach Österreich gereist, fast 7.000 Kilometer Luftlinie. Am Mittwochabend saß sie im Zug von Innsbruck nach Wien. Plötzlich ging ein Raunen durch das Abteil voller Swifties, ein Kreischen, dann ein Wimmern. Die Nachricht über die Terrorgefahr verbreitete sich schnell. "Bitte, bitte lass sie nicht alle absagen", hat Dee wie ein Mantra vor sich hingemurmelt, so erinnert sie sich. Aber es bleibt dabei, die Gefahr scheint zu groß. Taylor wird nicht spielen. Ersatztermine gibt es bislang keine. Aus den USA sei sie die Nachrichten von Anschlägen beinahe gewohnt, erzählt Dee, aber hier in Europa ist sie geschockt davon. Gemeinsam mit Zehntausenden anderen Swifties aus aller Welt ist Dee nun in Wien gestrandet.

Wohin mit den enttäuschten Fans? Während die Hintergründe des geplanten Anschlags noch ermittelt werden, reagierte die Stadt derart schnell, als hätte sie auf ihren Auftritt als Swiftie-Town nur gewartet. Die Albertina und viele weitere große Museen kündigen noch am selben Abend einen gratis Eintritt an den ursprünglich geplanten Konzerttagen für die Fans an. Swifties dürfen nach dem Vorzeigen ihres Konzerttickets ermäßigt in den Freibädern schwimmen, sie essen gratis bei einer Burgerkette und schlecken Eskimo-Jolly-Eis umsonst bei Penny. Immer mehr Häuser und Unternehmen schließen sich an. Swarovski verschenkt Lederbänder mit Kristall, schon Freitagnachmittag waren dann alle vergriffen. Solidarität gemischt mit smartem Marketing.

Selbst der Kanzler ist jetzt Swiftie

Für ein Wochenende ist Wien ein Taylor-Swift-Freizeitpark. Wo ginge das besser als in einer Stadt, in der jederzeit eine Pferdekutsche um die Ecke rollen kann? Wiens weiß getünchter Altbaucharme bildet eine Märchenkulisse, in der Swift wohl ohne Probleme und ohne Requisiten ihr nächstes Musikvideo drehen könnte.

Die anfängliche Verzweiflung ist schnell einem tröstlichen Beisammensein gewichen. In ihren farbigen Konzertoutfits ziehen die Fans durch die Straßen, grüßen einander und tauschen ihre Bracelets. Bunte selbst gebastelte Freundschaftsarmbänder, angelehnt an Taylors Songzeile "So, make the friendship bracelets, take the moment and taste it", mit Sprüchen oder Worten darauf: f*ck the Patriarchy, Freedom, Hope, Fearless. Sie schließen sich auf TikTok und Instagram zusammen, verabreden sich am Stephansplatz zu einem Flashmob, zum Basteln im Park, und sie feiern Swiftie-Karaoke-Nights in den Bars der österreichischen Hauptstadt.

Die Schriftstellerin und Cartoonistin Stefanie Sargnagel lädt eine Story bei Instagram hoch, ein Foto ihres nackten Handgelenks. Sie schreibt: "Ich will auch so ein gschissernes Band jetzt." Auf TikTok trendet ein Video eines Hochzeitspaares, das von Fans gefeiert wird. ORF1 zeigt den Konzertfilm Eras Tour am Samstagabend. Und selbst der österreichische Kanzler Karl Nehammer will Swiftie sein. Er bricht seinen Sommerurlaub ab, ursprünglich wohl eher wegen des Terrorverdachts als wegen der Swifties, empfängt am Freitagnachmittag aber trotzdem eine Fan-Delegation im Kanzleramt. Bei Instagram repostet er Selfies der Fans, die schreiben: "He was genuinely interested in our community and took our concerns and emotions very seriously." Herz-Smiley.

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